KV-Reform 2023: Was ändert sich in der kaufmännischen Lehre?

KV-Lehre 2023 an digitalisierte Arbeitswelt angepasst

Viele Routinen, die in der Administration einst anfielen, werden heute von Maschinen erledigt. Die Fähigkeit, mit spitzem Bleistift und schnellen Fingern einen Text in Kurzschrift aufzuzeichnen und dann abzutippen, wird längst nicht mehr gebraucht. Selbst das Abschreiben von Diktaphon-Bändchen gehört weitgehend der Vergangenheit an – Computer erledigen das mit Voice-to-Text-Apps viel schneller. Computer können auch schneller rechnen, schneller Bilanzen ziehen, schneller übersetzen und dank Künstlicher Intelligenz schneller selbständig Texte verfassen als wir.

Die Fähigkeiten, die eine Kauffrau EFZ oder ein Kaufmann EFZ heute mitbringen muss, wandeln sich ebenso wie die Mittel und Technologien, mit denen sie arbeiten. Die KV-Lehre wurde deshalb aktualisiert (KV-Reform 2023). Ab August 2023 werden angehende Kaufleute dafür ausgebildet, ihre Aufgaben mit Hilfe digitaler Technologien praxisorientiert, selbständig und reflektiert auszuführen, kompetent innerhalb des Betriebs und mit Aussenstehenden zu agieren sowie in verschiedenen Arbeits- und Organisationsformen tätig zu sein. Neben Fachkenntnissen und ICT-Fähigkeiten werden in der KV-Lehre nach der neuen KV-Reform 2023 dazu auch Sozial-, Methoden- und Selbstkompetenzen vermittelt und gefördert.

KV-Reform 2023: Fächer und Profile fallen weg

Handlungskompetenzbereiche statt Fächer

Neu werden die Lernziele der KV-Lehre nicht mehr über Fächer, sondern über Kompetenzen in fünf Handlungsbereichen definiert, und zwar:

  • Handeln in agilen Arbeits- und Organisationsformen
  • Interagieren in einem vernetzten Arbeitsumfeld
  • Koordinieren von unternehmerischen Arbeitsprozessen
  • Gestalten von Kunden- und Lieferantenbeziehungen
  • Einsetzen von Technologien der digitalen Arbeitswelt

Die Lerninhalte der bisherigen Unterrichtsfächer Deutsch, Fremdsprachen, IKA (Information, Kommunikation, Administration), Wirtschaft und Gesellschaft sowie Allgemeinbildung werden – soweit sie für die berufliche Praxis relevant sind – weiter vermittelt, aber nicht mehr in separaten Fächern, sondern eingebettet in Lerneinheiten der fünf Handlungskompetenzbereiche, also zum Beispiel Französisch im Kundenkontakt, oder Handelsrecht beim Erstellen von Zollausfuhrpapieren.

Wahlpflichtfächer und Vertiefungsmöglichkeiten (Optionen) statt Profile

In der KV-Lehre 2023 gibt es die bisherigen zwei Varianten der Grundbildung – das Basisprofil (B-Profil) und das anspruchsvollere erweiterte Profil (E-Profil) – nicht mehr. Diese Unterscheidung hat sich in der Arbeitswelt nicht bewährt: Die beiden Profile haben sich unter anderem in der Anzahl zu lernender Fremdsprachen unterschieden (B-Profil: 1, E-Profil: 2). Aber kaufmännische Fähigkeiten und Leistungsstärke kommen nicht ausschliesslich in der Beherrschung von Fremdsprachen zum Ausdruck. Manche Menschen sind kommunikativ stark, aber nur in ihrer Muttersprache, andere sind technologisch fit oder in Mathematik, brechen aber nur schon beim Hören von «Comment allez-vous?» in Schweiss aus – beide Gruppen lernten nach altem Modell gezwungenermassen im B-Profil, ohne ihre Ressourcen voll zu nutzen.

Durch die KV-Reform können die Lernenden ihre Lehre neu über Wahlpflichtfächer und Vertiefungsmöglichkeiten an ihre Stärken und Interessen anpassen. Als Wahlpflichtfach gelten die Fremdsprachen: Neu erwerben alle Lernenden Kenntnisse in zwei Fremdsprachen (weitere Landessprachen oder Englisch). Die erste Fremdsprache ist mündlich und schriftlich zu erlernen, die zweite wahlweise mündlich und schriftlich oder nur mündlich, bezogen auf Situationen und Themen, die im Beruf auch tatsächlich zu erwarten sind.

Im dritten KV-Lehrjahr wählen die Lernenden eine von vier Vertiefungsmöglichkeiten (Optionen):

  • Finanzen
  • Kommunikation mit Anspruchsgruppen in der Landessprache
  • Kommunikation mit Anspruchsgruppen in der Fremdsprache
  • Technologie

Ihre gewählten Wahlpflichtfächer und Vertiefungen sowie alle weitere Leistungen (Sprachzertifikate, Wettbewerbspreise, Projektarbeiten usw.) dokumentieren die Lernenden in einem elektronischen Portfolio, mit dem sie sich später auf dem Arbeitsmarkt profilieren können.

KV-Lehre 2023: Was bleibt gleich?

Die neue KV-Lehre erfolgt wie bisher an drei Lernorten: im Betrieb, in der Berufsfachschule und in branchenspezifischen überbetrieblichen Kursen* (üK).

Die Lehre kann weiterhin sowohl betrieblich («duale Lehre» bzw. «betrieblich organisierte Grundbildung», BOG) als auch schulisch («schulisch organisierte Grundbildung», SOG) absolviert werden.

Das bisherige M-Profil, d.h. die Möglichkeit zum Abschluss mit Berufsmaturität (BM1), gibt es noch (sie heisst aber nicht mehr «Profil»); auch der Anschluss an die Berufsmaturität nach der Lehre (BM2) ist gesichert. Für die Berufsmaturität müssen im Wahlpflichtbereich zwei Fremdsprachen mündlich und schriftlich gewählt werden.

Die Dauer beträgt weiterhin:

  • Betriebliche Lehre: 3 Jahre
  • Betriebliche Lehre mit Berufsmatura (BM1): 4 Jahre
  • SOG: 3–4 Jahre

Wie sich die KV-Reform 2023 auf die Nachholbildung für Erwachsene auswirkt, ist noch weitgehend unklar. Lesen Sie hier, was wir dazu bis jetzt (April 2023) in Erfahrung bringen konnten.

Weitere Informationen zur KV-Reform 2023 und Lehr-Details erhalten Sie direkt auf der Website des Kaufmännischen Vereins Schweiz.

 

* 19 Branchen stehen zur Auswahl:

Automobil-Gewerbe, Bank, Bauen und Wohnen, Bundesverwaltung, Dienstleistung und Administration (DA), Gesundheit, Handel, Hotel-Gastro-Tourismus, Internationale Speditionslogistik (ISL), Kranken- und Sozialversicherungen, Marketing und Kommunikation, Maschinen, Elektro- und Metallindustrie (MEM), Nahrungsmittelindustrie, Notariate Schweiz, Öffentliche Verwaltung, Privatversicherung, Reisen, Transport, Treuhand/Immobilien.

Berufliche Grundbildungen, die nicht über einen Betrieb, sondern in einer Handelsschule (mit Praktikum) absolviert werden, erfolgen in der Branche «Dienstleistung und Administration (DA)»; die ÜK finden dann auch in der Handelsschule statt.